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  • Lehrer steht Schützlingen in Kiew aus der Ferne bei

    08.04.2022

    Hankensbüttel/Sprakensehl/Kiew – Manchmal ist die Welt kleiner als man glaubt – und das hilft gerade in beängstigenden Zeiten wie diesen: Siegfried Cordes aus Hankensbüttel und Thorsten Wegmeyer aus Sprakensehl stehen über Facebook mit einem Lehrer der Deutschen Schule in Kiew in Verbindung. Sie haben ihm bereits mit dem Vermitteln von Kontakten und Hilfsangeboten weiterhelfen können. Denn der junge Lehrer Fabian von Reinsperg sucht nach Unterstützern, die Menschen nach der Flucht aus der Ukraine unterbringen können, und sammelt in einem vierköpfigen Krisenstab Hilfsangebote.

    „Die Eltern von einem Schüler meiner Klasse haben mich um eine Lieferung von Schutzwesten gebeten: Die habe ich für über 2000 Euro bestellt und sie sind gerade in Polen angekommen“, schildert von Reinsperg. Er selbst ist in sicherer Umgebung und seit drei Wochen in Holland, wo er aufgewachsen und ausgebildet worden ist. Doch dieser Aufenthalt ist ungeplant und durch den Ukraine-Krieg bedingt. Denn eigentlich unterrichtet der 31-Jährige an der Deutschen Schule in Kiew und das bereits seit acht Jahren – in erster Linie „Deutsch als Fremdsprache“ und Französisch.

    Von Reinsperg, in Solingen geboren, kam 2014 nach Kiew an die Schule. „Das war die beste Entscheidung bisher“, hält er fest, Stadt und Land habe er sehr liebgewonnen. Barrikaden und verkohlten Boden von den Maidan-Protesten habe er bei seiner Ankunft noch gesehen. Die 2008 gegründete Schule samt Kita werde von 180 Schülern der Klassen 1 bis 12 besucht (zwei Drittel Ukrainer, ein Drittel international aus aller Herren Länder).

    Die Entwicklung an den Grenzen der Ukraine mit dem russischen Truppenaufmarsch löste bei von Reinsperg und seinen Kollegen zunehmend Befürchtungen aus, dass es bald knallt. Am 12. Februar – Kriegsbeginn war der 24. Februar – reiste er aus und kann wegen der Kriegshandlungen seitdem nicht mehr zurück. Auch nahezu alles an Hausrat hat er in Kiew zurückgelassen, bis auf Kleidung für eine Woche sowie Schulbücher.

    Über WhatsApp hält von Reinsperg mit seinen Schülern Kontakt, die zum Teil zurückbleiben und ihm von Bombenexplosionen und ständigem Sirenengeheul berichten. Aktuell hat er mit Helfern und Kollegen ein Netzwerk gegründet und sammelt Adressen von Unterkünften, damit so viele Schüler, Lehrer und Bekannte wie möglich auch noch sicher aus dem Land herauskommen. Die Deutschen Schulen in Bratislava oder Prag hätten sich bereit erklärt, kostenlos Schüler aufzunehmen.

    „Die Hilfsbereitschaft ist groß“, sagt von Reinsperg. „Die männlichen Ü18-Schüler kommen aber leider nicht oder nur sehr schwierig aus dem Land heraus.“ Ihm sei es peinlich, dass er nicht in Kiew sei und nicht vor Ort helfen könne, er habe deswegen erhebliche Gewissensbisse. Die Schüler würden sich dennoch freuen, dass er sich um sie kümmere.

    Von Reinsperg moniert, dass in der Politik zu lange geredet und abgewartet worden sei. „Die 5000 geschickten Helme sind ein ganz schlechter Scherz.“ Die jetzt vorgesehene Aufrüstung in der EU hält er nur für einen Tropfen auf den heißen Stein. „Man hat lange sehr naiv gelebt.“ Für ihn sei unverständlich, dass das Zusammenziehen von 150 000 Soldaten an der ukrainischen Grenze nicht „durchblickt“ worden sei. Positiv sei nun aber, dass man einen starken Zusammenhalt im Westen erlebe. Die jetzt dennoch erfolgten Lieferungen begrüßt er.

    „Alle wiederzusehen wäre das Größte“

    Der junge Lehrer geht davon aus, dass es in naher Zukunft wohl kein Treffen mit seinen Schülern geben wird, so realistisch müsse man sein. Er will ihnen weiter über Kontakte helfen. Sobald ein Besuch wieder möglich ist, will er nach Kiew und dort wieder mitaufbauen. „Wenn ich meine Schüler alle wiedersehen kann, wäre das das Größte. Ich habe inzwischen auch allen in der Klasse das ‘Du’ angeboten. Es gibt gerade Wichtigeres.“

    Cordes behält die Entwicklung und die Situation in der Ukraine auch im Auge. Seine Familie kenne eine Ukrainerin gut, die aktuell nach Celle geflüchtet ist. Sie habe früher bereits als Au-Pair in der Herzogstadt gearbeitet. „Wir waren zu ihrer Hochzeit in der Ukraine.“ Wenn nicht Corona und jetzt der Krieg gewesen wäre, hätten sie sie ein weiteres Mal in Lwiw (deutsch: Lemberg) besucht. „Es ist eine sehr schöne Stadt.“

    Der Sprakensehler Wegmeyer hat ebenfalls eine Verbindung zur Ukraine. Er war ab 2017 sogar für ein Jahr im Sicherheitsdienst in Kiew tätig. Noch heute steht er über soziale Medien mit seinen damaligen Ortskollegen in Kontakt und hat sich nach ihrer derzeitigen Lage erkundigt. Die Gründe für den Krieg seien für ihn „unvorstellbar“. Kiew als Stadt habe ein europäisches Flair, erinnert er sich. Dort könne man „super leben“ und es gebe viel zu sehen. Alle hier zu Lande bekannten Geschäfte gebe es auch dort, man könne gut essen gehen. „Die Leute sind nett und aufgeschlossen.“ Er habe nie etwas Negatives erlebt. Die jetzige, dortige Situation treffe ihn allerdings sehr und habe ihn „tief erschüttert“.

    Quelle: https://www.az-online.de/isenhagener-land/hankensbuettel/lehrer-steht-schuetzlingen-in-kiew-aus-der-ferne-bei-91438206.html

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