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Moderne Tendenzen der Grundschule in Deutschland und ihre Auswirkungen auf die Bildungsreformen in der Ukraine

05.06.2018

Die Notwendigkeit für Änderungen im Bildungssystem in der Ukraine beruht auf der Tatsache, dass die Grundschulen den Bedürfnissen der kleinen Lerner leider nicht mehr gerecht werden. Vergleicht man ukrainische mit anderen europäischen Grundschulen, stellt man fest, dass das System uninteressant und ineffektiv geworden ist. Es ist an der Zeit, grundlegende Veränderungen am Format und am System selbst durchzuführen.

Mit interaktiven Technologien und der vollständigen Computerisierung erweitern sich die Möglichkeiten der Lehrer zur Gestaltung des Unterrichts. Der Unterricht nur mit Buch und Heft wird allmählich in den Hintergrund treten. Eine Kluft liegt zwischen dem, was die Schule leisten kann und den Anforderungen, die das 21. Jahrhundert an die jungen Menschen stellt.

So gehören hochqualitative materielle, technische, methodische Werkzeuge und moderne Software zusammen mit einer kompetenten Vorgehensweise zu den wichtigsten Bedingungen für die Formierung einer modernen, integrierenden Bildungsumwelt in der Grundschule. Die heutige Aufgabe der Schule ist nicht nur die Köpfe der Kinder mit Wissen zu füllen, sondern ihnen herausragende Kompetenzen zu vermitteln und die Abschlussschüler konkurrenzfähig in der Gesellschaft zu machen. Genau dieses Ziel verfolgt die Neue ukrainische Schule.

Betrachten wir die Erfahrungen anderer europäischer Länder, sehen wir, dass ihre Bildungssysteme ähnliche Ziele schon seit langem verfolgen. Zum Bespiel, in den „Schulischen Gesetzen über das Bildungswesen“ der östlichen Bundesländer wurden diese Ziele noch in den 90-er Jahren, gleich nach der Vereinigung Deutschlands, formuliert. Die Ausbildung wurde mehr praxisorientiert und der Bildungsprozess wurde auf die Aneignung der Bildungs- und Lebenskompetenzen ausgerichtet.

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Foto: michaeljung, Depositphotos

Eine Erneuerung der Inhalte der Bildung und die Bildungsreform der Ukraine sind notwendige Maßnahmen zur Erschaffung einer hochqualitativen Ausbildung, die sich möglichst genau den europäischen Standards angleichen wird. In dieser Hinsicht kann für uns die Erfahrung der Grundschulen östlicher Bundesländer Deutschlands sehr nützlich sein. Denn genau diese Länder haben den Weg der Reformen im Bildungswesen bereits hinter sich, Reformen, die auf eine kompetente Herangehensweise orientiert sind und den Anforderungen der modernen europäischen Gesellschaft entsprechen.

Bildungsstruktur Deutschlands

Zu den Hauptorganen im deutschen Bildungssystem gehören die Kultusministerkonferenz (KMK) der BRD und die Rektorenkonferenz der Hochschulen Deutschlands. Auf der Ebene der Bundesländer wird der Bildungsprozess durch das Bildungsministerium des jeweiligen Bundeslandes kontrolliert. Dieses legt auch fest, welche Bücher in den Schulen eingesetzt werden dürfen. In jedem Bundesland gelten eigene Bildungsgesetze, die sich im Rahmen der Bundesgesetze bewegen.

Fragen zur Kultur und Bildung fallen unter die Kompetenz der Bundesländer, deshalb können sich die Bestimmungen und die Lehrpläne unterscheiden. Fragen zur politischen Koordinierung im Bildungswesen werden von der Kultusministerkonferenz behandelt. Sie sichert die Qualitätsstandards der Bildung in der ganzen Republik.

Die wichtigsten „Lehren“ aus den Reformen nach der Vereinigung von Ost- und Westdeutschland sind die Wichtigkeit der Berücksichtigung der Vor- und Nachteile in den Bildungssystemen der westlichen und östlichen Bundesländer und der Appel, die internationale Erfahrung in der Reformierung eines Bildungswesens zu nutzen.

 Nach den Reformen und der Modernisierung der Bildung vom Ende 80-er Jahre und bis heute bekam Deutschland ein vierstufiges Bildungssystem: Primarstufe, zwei Sekundarstufen und Hochschule. Alle Kinder ab 6 Jahren sind schulpflichtig. Die Schulpflicht dauert 9 Jahre. Die öffentlichen Schulen sind kostenlos. In der Regel besuchen die Kinder vier Jahre die Grundschule. Nur in Berlin und in Brandenburg beträgt die Grundschulzeit 6 Jahre (dementsprechend kürzer  ist die Schulzeit der nachfolgenden Stufen).

In allen Klassen wird nach dem gleichen Lehrplan unterrichtet. In den ersten 2 Jahren unterrichtet alle Fächer der Klassenlehrer, in dieser Zeit gibt es keine fachliche Spezialisierung – das Grundwissen in Mathematik, Deutsch, Sachkunde, Musik und Religion wird fächerübergreifend vermittelt, in Form eines Bildungs- und Erziehungsprogramms. Ab der dritten Klasse wird von Fachlehrern unterrichtet.

Nach der Grundschule erhalten die Schüler eine Empfehlung darüber, in welcher der drei Schularten – Hauptschule, Realschule oder Gymnasium – sie ihren Schulweg fortsetzen. Der grundsätzliche Unterschied der ersten beiden Schularten besteht darin, dass der Lehrplan einfacher ist und der Schulabschluss das Studium an der Hochschule nicht ermöglicht. Normalerweise existieren die Grundschulklassen innerhalb einer allgemeinbildenden Schule, in der die Schüler nach der Grundschule in die Sekundarstufe 1 ( von 10-12 bis 16 Jahren) und von dort in die Sekundarstufe 2 (von 16 bis 19 Jahren) wechseln.

Bewertung der Schüler

Eine wichtige Rolle in der Formung der Persönlichkeit spielt eine objektive Bewertung des Wissensstands der Grundschulkinder. Ein großes Gewicht wird in deutschen Schulen auf das individuelle Eingehen auf jeden einzelnen Schüler und seine Möglichkeiten gelegt. Deshalb ist die Notengebung differenziert. In den meisten Bundesländern bekommen die Kinder in den ersten zwei Jahren keine Noten, sondern eine allgemeine Beschreibung ihrer Leistungen, die Informationen über die individuellen Stärken und Schwächen in einzelnen Fächern enthält.

Eine Leistungsbeurteilung in der Grundschule ist eine wichtige Stimulanz, wenn sie objektiv und gerecht ist und nach gleichen Kriterien erfolgt. Die Noten hängen nicht von anderen Faktoren ab, wie zum Beispiel das Verhalten in der Schule oder außerhalb. In der Grundschule in Deutschland bekommen die Kinder ab der dritten Klasse Noten. Der Leistungsstand wird nach einem sechsstufigen System bewertet: 1 (sehr gut), 2 (gut), 3 (befriedigend), 4 (ausreichend), 5 (mangelhaft), 6 (ungenügend).

In der Tabelle ist eine genauere Beschreibung des 6-stufigen Notensystems dargestellt.

Noten Beschreibung der Leistungen
1 – sehr gut Die Leistung entspricht die Anforderungen in besonderem Maß.
2 – gut Die Leistung entspricht voll den gestellten Anforderungen.
3 – befriedigend Die Leistung entspricht den Anforderungen im Allgemeinem.
4 – ausreichend Die Leistung weist zwar Mängel auf, aber sie entspricht im Ganzen noch den Anforderungen.
5 – mangelhaft Die Leistung entspricht nicht den Anforderungen, sie lässt jedoch erkennen, dass die notwendigen Grundkenntnisse vorhanden sind und die Mängel in absehbarer Zeit behoben werden können.
6 –ungenügend Die Leistung entspricht nicht den Anforderungen und selbst die Grundkenntnisse sind so lückenhaft, dass die Mängel in absehbarer Zeit nicht behoben werden können.

Für eine positive Motivation und den Einfluss auf den Schüler sind Noten das einzige Mittel in der Hand des Lehrers. Die Grundschule dient als Fundament für das allgemeine Schulsystem. Für die Verbesserung der Leistungen empfehlen die Lehrer, woran und wie das Kind noch arbeiten soll.

Das Zeugnis am Schuljahresende gibt eine Zusammenfassung darüber wieder, in welchem Maß das Kind den Lernstoff beherrscht. In die Bewertung werden folgende Aspekte miteinbezogen: Anzahl der erledigten Aufgaben, Mitarbeit im Unterricht, Heftführung, Wissensstand, Kompetenzen und Fertigkeiten.

In der untenstehenden Tabelle ist ein Vergleich des ukrainischen Notensystems mit dem deutschen dargestellt. Als Vergleichsgrundlage dient eine 100% -Skala.

Deutschland/Ukraine

Skala

Noten
Deutschland

6-stufige Skala

6 5 4 3 2 1
100%-Skala 0-59 60-74 75-89 90 -100
Ukraine

12-stufige Skala

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

In Deutschland wird die Information über den Leistungsstand des Kindes den Eltern in Form einer Tabelle unter Angabe des Lernstandes (sehr gut, gut, befriedigend, ausreichend, mangelhaft, ungenügend) und unter Angabe der erreichten Kompetenzen übermittelt.

Ein solches Zeugnis bekommen die Eltern zweimal im Jahr, als Zwischenbilanz am Ende des ersten Halbjahres und als Jahresbilanz am Ende des Schuljahres.

Mit Hilfe eines solchen Zeugnisses können die Eltern den Leistungsstand des Kindes besser verfolgen. Außerdem vergeben Lehrer und Erzieher eine kollegiale Note für die folgenden Merkmale: Verhalten, Mitarbeit in der Klasse, Übernahme von Verantwortung, Konfliktlösefähigkeit.

Für Schüler, die den Lernstoff nicht in ausreichendem Maß bewältigen können, werden zusätzliche Unterrichtsstunden organisiert, um damit individuell oder in Gruppen ihre Defizite zu verringern.

Inhalt der Bildung

Seit Beginn der 2000-er Jahre werden die Schüler in den deutschen Grundschulen in die Hauptfächer eingeführt. Der Inhalt und die Lernmethoden orientieren sich an den individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten jedes einzelnen Kindes.

Es ergeben sich folgende Bestandteile der Grundschulbildung:

  • Humanistische Werte und Kultur des eigenen Landes.
  • Umweltschutz, Einhaltung der Menschenrechte, Bewahrung von Frieden.
  • Erwerb von Lesetechniken und Aufbau von Bildungssprache.
  • Erweiterung der Lehrplans (Erlernen von Verkehrsregeln und Sexualkunde).
  • Erarbeitung von differenzierten Aufgaben.
  • Flexibler Einsatz von Lernzeit in einzelnen Fächern und Themen.( Zum Beispiel haben die Schüler ein Thema in Mathematik bereits nach 8 Stunden von insgesamt vorgesehenen 10 Stunden verstanden, dann kann die Lehrkraft die restlichen 2 Stunden für ein neues Thema oder für ein anderes Fach verwenden).
  • Berücksichtigung der emotionalen und sozialen Stabilität des Kindes.
  • Gewährleistung der vielseitigen Persönlichkeitsentwicklung.
  • Bei der Modernisierung des Lehrplans und der Bücher liegt der Fokus auf der Entwicklung eigenständigen Denkens und kognitiver Fähigkeiten.
  • Ausweitung der fakultativen Fächer.

In Deutschland soll die Bildung für alle möglich und überall zugänglich sein. In der letzten Zeit achten sowohl die Pädagogen als auch die Lehrplankommissionen auf die Inklusion bei der Erarbeitung der Bildungs- und Methodenwerkzeuge. Seit der Unterzeichnung der Behindertenrechtskonvention der UNO im Jahr 2009 dürfen Kinder mit körperlichen oder geistigen Behinderungen eine öffentliche Schule besuchen.

Laut Forschungsergebnissen der Bertelsmann Stiftung verläuft die Umsetzung der Inklusion schleppend. Nur jedes fünfte Kind mit physischen, geistigen, psychosozialen oder emotionalen Besonderheiten besucht eine öffentliche Schule. 80% der 500 000 Kinder mit besonderen Bedürfnissen lernen an Spezialschulen. Aber laut Befragungen in 2014 befürworten 70% der Deutschen die inkludierende Bildung.

Ein wertvolles Gut der deutschen Pädagogik ist das didaktische System der Grundschule im Allgemeinen. Wir untersuchten und analysierten die aktuellen Lehrpläne der Klassen 1 bis 4 des Bundeslandes Thüringen hinsichtlich folgender Fächer: Deutsch, Fremdsprache, Mathematik, Heimat-und Sachkunde, Musik, Werken, Kunst, Sport.

In den Lehrplänen ist deutlich eine Unterteilung in geisteswissenschaftliche, naturwissenschaftliche und sonstige Fächer zu beobachten. Die geisteswissenschaftlichen Fächer (Religion, Deutsch, Ethik) decken 42% der Stundenzahl im Lehrplan ab; die naturwissenschaftlichen Fächer (Mathematik, Naturwissenschaft) nehmen 37% der Stundenzahl ein; Musik und Sport füllen den Lehrplan mit 21% der Stundenzahl auf. Die meiste Zeit wird auf Deutsch und Mathematik verwendet – 20 Stunden oder 23% der gesamten Stundenmenge. Den zweiten Platz bei der Menge der Stunden nehmen Naturwissenschaften und Sport ein – 12 Stunden pro Woche, was 14% entspricht.

Etwas bevorzugt werden also geisteswissenschaftliche Fächer. Die naturwissen­schaft­lichen Fächer weichen nur mit 5% ab. Dieses erklärt sich aus der engen Verzahnung der beiden Bereiche und der Einführung von Sport und Musik.

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Foto: AlexLipa, Depositphotos

In den Grundschulen in Deutschland wird stark auf die Fremdsprachen geachtet. In den meisten Bundesländern ist es Englisch, dies ist aber nicht unbedingt der Favorit bei der Wahl unter den Fremdsprachen. Aufgrund der wirtschaftlichen und touristischen Kontakte sind auch Französisch, Italienisch und Russisch wichtig. Das Beherrschungsniveau einer Fremdsprache wird durch das Leseverstehen und das Hörverstehen bestimmt.

Das Wissensniveau wird auf folgende Weise bestimmt:

  • Lesen und Verstehen eines Textes;
  • Wiedergabe eines Gesprächs in der Fremdsprache;
  • selbstständige Arbeit mit verschiedenen Textsorten;
  • freies Sprechen in der Fremdsprache auf der Grundlage des erlernten Wortschatzes;
  • einfache Gesprächssituationen mit gleichaltrigen Ausländern.

In den Grundschulen der östlichen Bundesländer Deutschlands orientiert sich der Inhalt der Bildung an den europäischen, bildungspädagogischen Traditionen. In diesem Kontext stellen wir die Aspekte heraus, die vor allem in den naturwissen­schaftlichen Fächern auftreten:

  • Differenzierung des Unterrichts;
  • Vorbereitung auf den Wechsel von der Grundschule zur Sekundarstufe;
  • ethische Grundsätze in der Bildung;
  • Erlernen der Fächer mit Schwerpunkt auf Entwicklung der Fähigkeiten und Fertigkeiten des Lerners;

Die Analyse der Lehrpläne und der Vergleich der Änderungen und Besonderheiten der Lehrpläne der Grundschulen Deutschlands zeigten, dass die Bildung auf die weltoffene Entwicklung der Persönlichkeit ausgerichtet ist, auf die weitere Ausbildung vorbereitet und auf den Prinzipien der Integration fußt.

Der Inhalt der Bildung in den Grundschulen in Deutschland basiert auf der Grundlage der deutschen Bildungstraditionen. Zu beobachten ist die Anwendung neuer Lernmethoden (Informations- und Kommunikationstechnologien, der Lernmethode SMART, Verwendung der Lernplattform Moodle) und die Verbesserung der traditionellen Lernmethoden (visuelle, verbale, praktische Methoden), die auf die Erziehung der Schüler zu Selbstständigkeit und auf die Individualisierung des Lernprozesses abzielen.

Die Lehrpläne verlangen eine individuelle Differenzierung. Die Lernentwicklung der Kinder während des Lernprozesses nimmt einen zentralen Platz in der Grundschule in Deutschland ein. Der Lernprozess wird mit Hilfe von Tages- und Wochenplänen organisiert. Dabei wird den unterschiedlichen Lernwegen und den individuellen Lerntempi der Schüler Rechnung getragen. Dies beinhaltet, dass den Schülern unterschiedliche Möglichkeiten angeboten werden, die Umgebung mit geeigneten Lernmethoden kennenzulernen.

Die Lehrer erarbeiteten ein System von differenzierten Aufgaben, die zur Heranführung an die Fächer und zum Üben der Fertigkeiten und Fähigkeiten dienen. Damit jedes Kind einen Lernerfolg erzielen kann, gibt es die individuelle Lernzeit. Die Kinder, die mit einer Aufgabe nicht fertig werden, können von der Lehrkraft zusätzliche Zeit dafür bekommen. Beispielsweise wird ein Test geschrieben, für den 20 Minuten vorgesehen sind. Für die meisten Schüler reicht die angegebene Zeit aus, es gibt aber Schüler, für die diese Zeit nicht ausreicht. Die Lehrkraft kann in diesem Fall für Nachzügler noch 5 Minuten dazu geben, damit auch sie den Test beenden können.

In den Grundschulen wird großer Wert auf die Selbsterkenntnis und die eigene Rolle in der Welt, das selbstständige Denken und das eigenverantwortliche Handeln gelegt. Mit ihren Aufgaben leistet die Grundschule einen bedeutsamen Beitrag dazu. In der Grundschule wird auf Binnendifferenzierung geachtet und es werden große Anstrengungen darauf verwendet, dass die Kinder ohne Hindernisse in die Sekundarstufe wechseln können.

Der binnendifferenzierte Unterricht steht im Mittelpunkt für die Lehrkraft. Zusätzlich werden fast alle Themen des Unterrichts auch außerhalb des Unterrichts behandelt. Diese Herangehensweise ist eine der Bedingungen für die Ausformung einer integrierten Bildungswelt in der Grundschule der östlichen Bundesländer Deutschlands.

Marina Goncharuk, Direktorin der „Deutsch-Ukraninischen Begegnungschule Kiew“.

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